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Adieu Endo

Als stimmstarker Sänger und mit viel Eigenart prägte Endo Anaconda über Jahrzehnte die Schweizer Musikszene. Wir ziehen den Hut.

Über dreissig Jahre stand Endo Anaconda mit der Band Stiller Has auf der Bühne. © Keystone

"Ein grossartiger Texter", "ein Pfeiler des Schweizer Musikschaffens", "ein wirkliches Original", so oder ähnliche Sätze über Endo Anaconda hörte und las man von vielen, die versuchten, die Nachricht über seinen Tod mit Hommagen und Anekdoten zu verarbeiten. Er starb in der Nacht auf Mittwoch an den Folgen von Lungenkrebs, wie seine Bandkollegen auf ihrer Homepage schreiben. 66 ist zwar kein Alter zum Sterben, aber wer von den verwegenen Kapiteln in der Vita von Endo Anaconda weiss, ist von diesem Adieu nicht enorm überrascht. Das Leben des als Andreas Flückiger geborenen Sängers und Lyrikers war nicht dumpfer Hedonismus, sondern Fokus auf Momente, für die es sich zu leben lohnte.

Der grosse Appetit aufs Leben gab ihm die Energie, stets mit starker Haltung dreissig Jahre auf und zwischen den Bühnen zu wandeln und das Geschehen scharfzüngig und mit vifem Verstand zu kommentieren. An Auftritten mit Stiller Has imponierte der Sänger, wenn er wortgewandt und heiss dampfend von der Bühne runterratterte, sich über Sinnloses und Ungerechtigkeit aufregte und dem Publikum mit schlauen Gedanken und Sprüchen ein Lächeln entlockte. Für Endo war das Leben "der normale Wahnsinn und die Bühne der ausserordentliche Wahnsinn", wie er mir während eines nachmittäglichen Schlenderns durch Freiburg vor ein paar Jahren erklärte. Auf der Bühne zu stehen "hat was mit Meditation zu tun, man macht nur das." Momentum - eine Lebenseinstellung, ein aufmerksames Hingeben oder Erfühlen des Dazwischen.

Solche Charaktere verschwinden langsam aus der Schweizer Musikszene. "Der Letzte seiner Art", wie er auch mit dem Titel seines 2017er-Albums Endosaurus Rex anzeigte. Für ihn selbst war das nicht weiter tragisch, solange Progression mit einer gewissen Haltung passieren darf. Seit den späten 80er Jahren sang und schnurrte sich Endo als Stimme der Hasen mit nonchalantem Mundart-Blues in die Ohren und Herzen. Er selbst interessierte sich vor allem für "krasse und authentische Musik", die etwas zu sagen habe. Auch wenn Endo den Stutz von Plattenverkäufen und Auftritten brauchte, wünschte er sich mehr Offenheit für Neues und Andersartiges, anstatt immerzu den Hit-Setlist-Erwartungen des Publikums gerecht zu werden. Auch in das Heimweh-Genöle anderer Schweizer Musikgrössen einzustimmen widerstrebte ihm. Endo Anaconda stiess seine Worthiebe in den Unterbauch der Gesellschaft, tauchte im entblössend blauen Scheinwerferlicht der Melancholie und schnippte seine Zigarettenstummel in den leerlaufenden Moralapparat der Schweiz.

Endo Anaconda war zeitlebens rebellisch und sonderbar, aber auch enorm engagiert und herzlich. Und ein Künstler, der wusste, wie er seine Musik und Texte einsetzen musste, um auf seine Art zu erzählen, was er in und um sich wahrnahm.

Adieu Endo.

RadioFr. - Valentin Brügger / pef
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