Deutsches Hochwassergebiet: keine Entwarnung
Volle Keller, überflutete Strassen, evakuierte Häuser: Die Hochwasserlage im Süden Deutschlands ist weiter dynamisch und unübersichtlich.
Viele kleine Gemeinden in Baden-Württemberg und Bayern sind betroffen, Tausende Helfer kämpfen dort auch zum Wochenbeginn gegen die Fluten.
Mancherorts spitzt sich die Lage sogar zu. Die traurige Bilanz bisher: Ein Feuerwehrmann ist tot, zwei Menschen werden vermisst. Am Montag besucht der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz das Hochwassergebiet.
Verschärfte Lage in Baden-Württemberg
Nach weiterem Regen in der Nacht hat sich die Lage in einigen Regionen Baden-Württembergs verschärft. Und weil neue Niederschläge drohen und das Wasser steigt, werden vor allem in der Region nahe Stuttgart Häuser evakuiert.
In der Gemeinde Ebersbach an der Fils südöstlich der Landeshauptstadt wurden Anwohnerinnen und Anwohner mehrerer Strassenzüge in Sicherheit gebracht. Wie viele Menschen betroffen waren, konnte eine Stadtsprecherin am Montag zunächst nicht sagen.
Extremer Starkregen hat auch der kleinen Gemeinde Rudersberg im Rems-Murr-Kreis zugesetzt. Alle Strassen seien gesperrt, sagte ein Sprecher der Feuerwehr. Die Regenfälle haben derweil auch Folgen im Schwarzwald: So kam es im Schwarzwald-Baar-Kreis zu mehreren Erdrutschen.
Im Ostalbkreis hat sich die Lage hingegen etwas entspannt. Die Abflussmenge, die die Lein herunterkomme, sinke, sagte eine Sprecherin des Krisenstabs am Montagmorgen. Ein Grossteil der Menschen könne nach der Evakuierung wieder zurück in die Häuser.
Ein Toter und zwei Vermisste in Bayern
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht die Gefahr im Freistaat nicht gebannt. "Es geht zwar etwas zurück, aber eine Totalentwarnung kann man nicht geben", sagte er am Montag im Deutschlandfunk. Selbst wenn es aufhöre zu regnen, würden durch die Zuläufe die Pegelstände der grösseren Flüsse noch steigen, sagte er. Mittlerweile hat auch Regensburg an der Donau den Katastrophenfall ausgerufen.
In Pfaffenhofen an der Ilm in Oberbayern kam in der Nacht auf Sonntag ein Feuerwehrmann ums Leben. Er war bei einem Einsatz mit einem Schlauchboot gekentert und tot geborgen worden. Einen im Hochwasser vermissten Feuerwehrmann in Offingen haben die Einsatzkräfte bislang nicht gefunden. Die Suche werde weiter fortgesetzt, sagte ein Polizeisprecher am Montag.
Seit Sonntag wird zudem im oberbayerischen Schrobenhausen eine Frau vermisst. Weil Taucher am Vortag nicht in den vollgelaufenen Keller des Hauses vordringen konnten, würden nun Pumpen eingesetzt, sagte ein Polizeisprecher am Montag. So hoffe man, die 43-Jährige zu finden.
In Pfaffenhofen an der Ilm ist ein Damm des Flusses Paar mittlerweile an drei Stellen gebrochen. In dem Landkreis wird Scholz heute erwartet. Mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser kommt er nach Reichertshofen. Wie so viele andere Ortschaften wurde der oberbayerische Markt von Wassermassen überschwemmt.
Auswirkungen auf Schulen und Bahnverkehr
Viele Schulen in besonders betroffenen Regionen beider Bundesländer haben den Präsenzunterricht für Montag abgesagt, auch Kitas oder Förderzentren sollten zu bleiben. Für jüngere Schulkinder werde teils Notbetreuungen eingerichtet.
Wegen der Unwetterschäden bleibt auch der Bahnverkehr beeinträchtigt. Die Deutsche Bahn rät weiterhin von Fahrten nach Süddeutschland ab. Bei den Fernverkehrsverbindungen kommt es zu Zugausfällen, vor allem München kann von Stuttgart, Würzburg und Nürnberg aus nicht angefahren werden, wie die Bahn am Montag mitteilte.
Wie geht es weiter?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet im Südwesten zum Wochenbeginn gebietsweise Dauerregen und Unwetter. Laut DWD könnten südlich der Schwäbischen Alb bis zum Abend Wassermengen von 30 bis 40 Liter pro Quadratmeter niedergehen. In Oberschwaben, am Bodensee und Allgäu seien starke Gewitter mit Starkregen möglich. Vereinzelt könne auch Hagel fallen. Angesichts des Dauerregens hat der DWD eine Unwetterwarnung für den Regierungsbezirk Tübingen ausgerufen.
Südlich der Donau und im Bayerischen Wald erwartet der Deutsche Wetterdienst am Montag ebenfalls wieder Schauer und schauerartigen Regen, im weiteren Tagesverlauf teils schwere Gewitter. Auch heftiger Starkregen sei möglich.
"Starkregen wird durch die Klimaerwärmung häufiger"
Auf die Frage, ob die aktuellen Überflutungen auf den Klimawandel zurückzuführen sind, sagte Stefan Rahmstorf, Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem "Spiegel": "Über einzelne Wetterereignisse kann man das fast nie sagen. Doch unbestritten ist: Starkregen wird durch die Klimaerwärmung häufiger und intensiver." Die Zahl der Rekorde bei Tagesregenmengen sei weltweit um etwa 30 Prozent gestiegen im Vergleich 1950 bis 1980. "Dies bedeutet: Rund einer von vier Rekorden ist schon jetzt auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen."