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Jenjira Stadelmann und die vielen Zufälle

Ganz viele Zufälle haben die Badmintonspielerin Jenjira Stadelmann an die Olympischen Spiele in Paris gebracht. Doch die quirlige Schweiz-Thailänderin will mehr.

Mit Herz verabschiedet sich die Schweizer Badmintonspielerin Jenjira Stadelmann (vorerst) von der olympischen Bühne © KEYSTONE/ANTHONY ANEX

Jenjira, von allen nur Jenny genannt, Stadelmann dreht sich zur Tribüne um und formt mit Kopf und Armen ein Herz. Die 24-Jährige strahlt übers ganze Gesicht. Soeben hat sie in ihrem zweiten Einsatz in Paris die 34 Positionen besser klassierte Irin Rachael Darragh in drei Sätzen niedergerungen. Die Geste gilt ihrem Freund Daniel auf der Tribüne. "Das ist unser Signal, wenn wir aus dem Haus gehen", erklärt sie nach dem emotionalen Sieg.

Dass Stadelmann an diesen Spielen für die Schweiz antritt und überhaupt Badminton spielt, ist vielen Zufällen geschuldet. Als sehr aktives Kind habe sie viele Sportarten ausprobiert. Fussball fand der Vater, ein damals im thailändischen Chiang Mai lebender Schweizer, für ein Mädchen nicht so geeignet. "Schau, du läufst schon wie dein Bruder, hat er gesagt", erinnert sie sich lachend. "Und jetzt laufe ich halt so."

Nach Ferien beim Vater geblieben

Leichtathletik fand sie langweilig, beim Schwimmen kriegte sie Probleme mit den Ohren, also sollte es wegen Roger Federer Tennis sein. Doch der Vater wies darauf hin, dass dies bei oft 40 Grad im Freien auch nicht optimal sei. In der Nähe des Zuhause gab es aber eine Badmintonhalle, und der luftige Ball mit den Federn wurde zu Stadelmanns liebstem Hobby und später Beruf.

Ähnlich zufällig landete sie in der Schweiz. Der Vater war zurückgekehrt, weil sein Vater unter Herzproblemen litt. Die Tochter war als Einzige der Familie noch nie in der Schweiz, also wollte sie 2016 die Ferien beim Papa verbringen. In einem Trainingslager der Sportschule Trogen im Appenzellerland kam die entscheidende Wende.

Eigentlich hatte sie den Traum von einer Karriere im Badminton wegen Rückenproblemen bereits aufgegeben, doch in Trogen wurde sie von Manager Hanspeter Kolb entdeckt. Er fragte sie an, da sie auch einen Schweizer Pass habe, ob sie es nicht für ein Jahr in der Schweiz versuchen wolle.

Nach acht Jahren fast perfekt Berndeutsch

Stadelmann zögerte, denn sie sprach kein Deutsch, da sie auch mit ihrem Vater bis heute nur auf Thailändisch kommuniziert. Und sie wollte das Gymnasium abschliessen, um danach Tierärztin zu werden. Der Vater aber meinte: "In zwei Jahren, wenn du das Gymi fertig hast, fragt dich Hanspeter vielleicht nicht mehr." Sie entschied sich für den Sport, das Gymnasium hat sie nicht abgeschlossen. "Noch nicht", wie sie betont.

Stadelmann ist eine Frohnatur mit unbändiger Energie, aber auch zielstrebig und ehrgeizig. Heute, nur acht Jahre nach ihrer Ankunft in der Schweiz, spricht sie fast akzentfrei Berndeutsch. Sportlich gewann sie am Dienstag als erste Schweizerin seit 16 Jahren eine Partie bei Olympischen Spielen - natürlich auf Umwegen, nach Satzrückstand und abgewehrtem Matchball.

Auf nach Los Angeles

Dabei leidet sie schon seit einigen Wochen unter Schmerzen an den Adduktoren. Zum Interview nach dem Sieg kam sie humpelnd, nahm sich aber dennoch viel Zeit. "Und jetzt habe ich Ferien nötig", meinte sie erleichtert. "In der Schweiz, denn mein Freund hat nicht frei." Trotz des Sieges kann sie die Achtelfinals nicht mehr erreichen, da sie das erste Gruppenspiel gegen die Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin Carolina Marin in zwei Sätzen verloren hatte.

Doch sie verspricht: "Ich will noch ein besseres Olympia erleben." 2028 in Los Angeles. Es ist Jenny Stadelmann zuzutrauen.

SDA
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