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"Alle Leute gehen auf dem Zahnfleisch"

Der Mangel an erfahrenen Lehrpersonen ist im Kanton Freiburg gravierend. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die Situation verschärft sich.

Viele Freiburgerinnen und Freiburger absolvieren die PH in Bern. © Keystone

In knapp drei Monaten beginnt der Unterricht im neuen Schuljahr. An rund einem Dutzend Deutschfreiburger Schulhäusern sind aber noch Lehrpersonen-Stellen unbesetzt. Das bestätigt Andi Maag, Vorsteher des Amts für deutschsprachigen obligatorischen Unterricht. Der Mangel an qualifiziertem Personal manifestiert sich vor allem in den Klassenzimmern der Primarschule. Und er erreicht in diesem Jahr ein neues Ausmass, weshalb die Schulleitungen bei der Personalwahl Abstriche machen müssen.

"Im Moment stellen wir sogar nicht qualifizierte Personen an", sagt Maag. Bedingung zum Unterrichten auf Primar- und Sekundarstufe I sei momentan nur, dass man mit Schülerinnen und Schülern umgehen könne. Die Schwelle zum Lehrberuf liegt zurzeit also sehr niedrig – vor eine Klasse können auch völlig Fachfremde stehen. Quereinsteiger müssen einfach die Bereitschaft mitbringen, sich in das Unterrichten, das Beurteilen und Bewerten einzuarbeiten und sich mit dem Lehrplan 21 vertraut zu machen. Sie müssten eng begleitet werden. Das oberste Ziel bleibt laut Maag, dass eine Klasse von einem Duo unterrichtet wird, bei dem mindestens eine Person eine pädagogische Qualifikation hat. 

Quereinsteiger sind schnell komplett überfordert

"Die meisten Quereinsteiger machen das aber nur ein paar Wochen, dann sind sie dermassen überfordert, dass sie wieder aufhören", sagt Andi Maag. Alle meinten, sie könnten problemlos noch ein bisschen Schule geben – bis sie von der Realität eingeholt würden. Unterrichten sei ein Profi-Job und brauche gewisse Qualifikationen. Ob nicht qualifizierte Lehrpersonen an den Schulen eine gute Lösung seien, wisse er nicht, sagt Maag, aber die aktuelle Situation sei einfach eine Tatsache. Der Kanton Freiburg ist mit der Problematik zumindest nicht alleine - auch andere Kantone kämpfen damit, dass Quereinsteiger relativ rasch wieder aussteigen.

Gemäss Maag ist es gerade auf Stufe Primarschule schwerig, als unerfahrene Lehrperson vor einer Klasse zu stehen. Denn die Primar stelle an Unterrichtende hohe Anforderungen - neben Fächern wie Französisch und Englisch müssen auch komplexe Gebiete wie Medien und Informatik gelehrt werden. Dass man sich um den Übertritt der Schülerschaft in die Sekundarstufe I kümmern müsse, mache die Arbeit auch nicht einfacher.

Grosse Konkurrenz von Bern

Ein Blick auf die jüngsten Abschlüsse an den Pädagogischen Hochschulen lässt auf einen Grund für den Lehrpersonen-Mangel im Kanton schliessen. Es fällt auf, dass viele aus dem Freiburgischen stammende Studierende ihre Ausbildung zur Lehrperson nicht an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, sondern an der PH Bern abschliessen. Andi Maag bestätigt, dass der Kanton Freiburg in grosser Konkurrenz mit dem Kanton Bern steht, der ebenfalls auf der Suche nach qualifizierten Lehrpersonen ist und diesen gesamthaft bessere Bedingungen bieten kann als der Kanton Freiburg.

Wählerische junge Leute, Abgänge und längere Abwesenheiten

Ausserdem seien die jungen Leute wählerisch, mobiler und würden auch vergleichen. Weiter sei eine geringe Bereitschaft von Lehrpersonen in Teilzeit vorhanden, ihr Pensum zu erhöhen. Andere kehrten dem Lehrberuf komplett den Rücken, gingen studieren oder machten längere Reisen. "Wir müssen darum immer wieder aufzeigen, dass das Unterrichten spannend ist, gute Bedingungen bietet, die aber eventuell noch besser werden müssen", sagt Maag weiter. Darum müsse man sich fragen, was man anbiete, dass man mithalten und gute Bedingungen bieten könne. Denn momentan sei man eher an einer Flickübung statt an längerfristigen Verbesserungen.

Der Umstand, dass wir zwei Jahre Corona hinter uns haben, macht die Situation gemäss Maag auch nicht besser. Alle Leute gingen auf dem Zahnfleisch und wollten neben ihren familiären Verpflichtungen oft nicht noch mehr unterrichten. Für den Umstand, dass gewisse Lehrpersonen in Teilpensen nicht noch mehr arbeiten wollen, hat Maag Verständnis. Dass mit den aktuellen Flüchtlingszahlen der Bedarf nach Deutschunterricht steigt, verschärft die Situation zusätzlich, wie Amtsvorsteher Andi Maag sagt.

RadioFr. - Tobias Brunner / pef
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