Die ganze Last liegt auf den Müttern!

Sara Satir ist seit zwanzig Jahren Mutter eines mehrfach beeinträchtigten Sohnes.

Sara Satir (rechts) zu Gast in der Gesprächssendung META bei Anna Binz

Sara Satir ist seit zwanzig Jahren Mutter eines mehrfach beeinträchtigten Sohnes. Er benötigt Unterstützung in nahezu allen Lebensbereichen, die Sara über Jahre hinweg zu fast 100 Prozent übernommen hat.

Sie sei das Projekt Familie damals mit 25 Jahren sehr naiv und unbeschwert angegangen und das sei aber wohl auch gar nicht so schlecht gewesen. Die Möglichkeit, dass ihr Kind eine Beeinträchtigung haben könnte, schien ihr unwahrscheinlich. "Alle Statistiken sprachen ja dagegen", und ihr Sohn kam zunächst als "gesunder Knabe" zur Welt. Erst in den darauf folgenden Monaten und Jahren wuchs bei Sara ein ungutes Gefühl. Es folgte ein mehrjähriger Abklärungsmarathon und irgendwann dann auch mehrere Diagnosen.

Die Gleichstellungsproblematik

Ein Kind mit Mehrfachbeeinträchtigungen grosszuziehen ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch teuer. Da Saras Mann damals mehr verdiente als sie, stellte sie ihre berufliche Karriere zurück und kümmerte sich in den folgenden Jahren vollumfänglich um die unbezahlte Care-Arbeit zu Hause.

Man ist dann in einer Art Überlebensmodus und hat keine Zeit sich zu überlegen, dass man dann vielleicht später von Altersarmut betroffen sein könnte und dass man daher mit dem Mann eine Vereinbarung treffen sollte, denn das braucht auch wieder Kraft. Diese Gleichstellungsfragen sind privilegierte Themen und viele haben in so einer Situation nicht die Ressourcen dazu.

Ein Leben lang Bittstellerin

Saras Beziehung zu den Behörden und der IV ist ambivalent. Einerseits sei sie sehr dankbar, dass sie in der Schweiz lebe und ihr Sohn Leistungen von der IV erhalte, andererseits könnte vieles auch besser laufen.

Die IV sollte eine Anlaufstelle sein. Faktisch bin ich aber ein Leben lang Bittstellerin für meinen Sohn. Und was das auslöst, ist dass man sich schuldig fühlt dafür, dass man eine Leistung benötigt.

Sie habe ausserdem alles, was die IV betrifft, selbst herausfinden müssen und sei auch immer wieder damit konfrontiert, dass sie beweisen müsse, dass ihr Sohn diese Leistungen auch weiterhin benötigt und dass er beispielsweise keinen Militärdienst leisten oder in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden kann.

Mein grösster Wunsch wäre ein Case-Management. Dass man von Anfang an eine Anlaufstelle hat, die einem darüber informiert, welche Leistungen von der IV einem zustehen, welche Entlastungsangebote es gibt, wo man zusätzliche Beratung erhalten kann etc. So läuft es aber leider nicht.

Das ganze Gespräch über privat geleistete Care-Arbeit gibt es hier:

RadioFr. - Anna Binz
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