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«Es hat keinen Platz mehr für Märchen wie das Unsrige»

Nach dem letztjährigen Abstieg aus der NLA musste sich Aergera Giffers überlegen, wohin sein Weg führen soll. Regionales Schaffen in der NLB soll beim Sensler Unihockeyverein künftig im Zentrum stehen.

Für Aergera Giffers geht am Samstag die Meisterschaft wieder los - diesmal in der NLB und mit einem ziemlich veränderten Gesicht. © Archivbild: Charles Ellena

Richard Kaeser, nach einem Abstieg kommt der Moment, an dem man über die Bücher geht und schaut, was falsch gelaufen ist und wie es weitergehen soll. Was hat die Auslegeordnung bei Aergera Giffers zutage gefördert?

Die Analyse der letzten Saison hat gezeigt, dass es durchs Band an Qualität gefehlt hat, auf und neben dem Feld. Das Spielerinnengefäss war zu wenig gut für die NLA, der Staff war zu wenig breit und hat ebenfalls Fehler gemacht.

Als Trainer sind Sie Teil des Staffs. Was kreiden Sie sich selbst an?

Ich war extrem kritisch mit mir selbst und nehme einiges auf meine Kappe. Ich habe in gewissen Spielen nicht so entschieden, wie es hätte sein sollen. Wir haben in den Playouts gegen die Riders und in den Auf-Abstiegsplayoffs gegen WaSa kein Spiel gewonnen. Wenn ich im Kopf immer fit genug gewesen wäre, dann hätten wir den einen oder anderen Match zu unseren Gunsten drehen können. Mir fehlte zuweilen die Energie, aber wir sind alle nur Amateure mit familiären und beruflichen Verpflichtungen.

Nach einem Jahr in der NLA ist Aergera zurück in der NLB. Wohin soll der Weg künftig führen?

Das ist die entscheidende Frage. Wollen wir zurück in die NLA, holen dafür Schweizer Verstärkungen und engagieren Ausländerinnen? Oder wollen wir mit einheimischen und jungen Spielerinnen arbeiten und uns in der NLB etablieren? Es war eine wichtige Grundsatzdiskussion, wie sich der Club ausrichtet, beeinflusst viele Aspekte, unter anderem auch den finanziellen. Wir haben das Thema gut aufgearbeitet und diskutiert, der Entscheid ist dann aber schnell gefallen.

Wohin soll es künftig gehen?

Wir wollen mit Einheimischen arbeiten und uns im Minimum in der NLB als feste Grösse etablieren. Deshalb haben wir weder auswärtige Spielerinnen kontaktiert noch Ausländerinnen gesucht. Wir sind stattdessen auf unsere eigenen Juniorinnen zugegangen und haben ihnen die Türe zur ersten Mannschaft geöffnet.

Was waren die Überlegungen hinter dem Entscheid?

Wenn ich sehe, wie sich die NLA entwickelt, dann muss ich feststellen, dass es für einen Dorfklub wie uns immer schwieriger wird. Als Giffers 2014 das erste Mal in die höchste Liga aufgestiegen ist, konnte man sich fünf Saisons in der NLA halten. Beim zweiten Aufstieg folgte postwendend der Abstieg. Die Unihockey-Welt ist nicht mehr die gleiche wie vor neun Jahren.

Inwiefern?

Selbst Teams aus der unteren NLA-Tabellenhälfte haben inzwischen fünf, sechs Ausländerinnen in ihrem Kader. Die oberen Teams versammeln die besten Schweizer Spielerinnen bei sich und engagieren zusätzlich noch ein halbes Dutzend oder mehr Ausländerinnen. Das ist mit einem grossen finanziellen Kraftakt verbunden. Auch der ganze Aufwand, den man in der NLA betreiben muss mit Live-Stream und dem speziellen Hallenboden, der früher oder später obligatorisch sein wird, ist für einen Dorfverein wie Giffers kaum zu meistern. Ich finde, dass der

Verband die falschen Signale aussendet. Da hat es keinen Platz mehr für Märchen wie das unsrige. Öffentlich traut sich kaum jemand, das zu hinterfragen. Aber ich habe in letzter Zeit mit etlichen Trainern darüber diskutiert und festgestellt, dass viele die momentane Entwicklung kritisch sehen.

Dann sind es in erster Linie finanzielle Überlegungen, weshalb Aergera nicht mehr im Spiel der Grossen mitmischen kann oder will?

Wir haben sehr viele Juniorinnen, die Hallen sind bei den Trainings immer voll. Wir könnten die Mitgliederbeiträge erhöhen und die Jungen finanziell aussaugen, um so das Geld für ein paar Ausländerinnen zusammenzukratzen. Aber was bringt das? Es ist sinnvoller und nachhaltiger, mit Juniorinnen und Einheimischen etwas aufzubauen. Letztes Jahr haben viele der jungen Spielerinnen in den sauren Apfel beissen müssen, weil wir sie nicht in die erste Mannschaft integrieren konnten. Der Schritt in die NLA war zu gross. Jetzt in der NLB können sie sich entwickeln und dereinst den Aergera-Karren ziehen. Wir werden auch nächstes Jahr Abgänge von Spielerinnen haben, die es zu ersetzen gilt.

Sie sprechen das Kader an: Inwiefern hat der Abstieg zu einem Aderlass bei den Spielerinnen geführt?

Acht Spielerinnen haben das Team verlassen, das tut schon weh. Vier von ihnen haben zu einem NLA-Verein gewechselt, drei ihren Rücktritt gegeben und eine tritt kürzer. Im Gegenzug ist mit Sarah Aeschbacher von den Skorps Emmental eine NLA-Spielerin zu uns gestossen. Fabienne Aeschbacher und Francine Riedo sind nach langen Verletzungen zurück, was mich besonders freut. Und dann haben wir viele Talente aus unserem Nachwuchs integriert.

Das hört sich an, als hätte Ihr Team einiges an Klasse und Erfahrung verloren …

In der Offensive werden uns Alyssa Buri, Samira Inglin und Nadja Schüpbach fehlen, das können wir nicht schönreden. Das Trio hat letzte Saison knapp zwei Drittel unserer Treffer erzielt. Das Toreschiessen war bisher nicht unsere Stärke, und es wird nicht einfacher. Aber ich kann die Entscheide der drei, uns zu verlassen, nachvollziehen. Alyssa, die bei uns gross geworden ist, habe ich sogar ermuntert, die Chance zu packen, wenn sie kommt. Dass sie kommen würde, war klar, denn schon zu Weihnachten hatten NLA-Vereine bei uns angeklopft. Ich bin überzeugt, dass sich Alyssa bei Skorps Emmental durchsetzen wird.

Einen Abgang haben Sie auch auf der Goalieposition zu verkraften.

Noemi Jöhr spielt neu für das Nachwuchsteam von Schweizermeister Kloten-Dietlikon. Zudem ist Sarah-Peter Berger zurückgetreten. Die beiden hatten letztes Jahr zusammen mit Vanessa Aebischer ein starkes und gut harmonisierendes Goalietrio gebildet. Jetzt liegt es an Vanessa, vorneweg zu marschieren. Sie kann das, sie verfügt inzwischen über drei Jahre Nationalliga-Erfahrung. Aber auch unsere Juniorin Solène Bessire wird Chancen erhalten, sich zu beweisen.

Was darf man von Aergera Giffers diese Saison erwarten?

Auf dem Papier sind wir wohl etwas schlechter als letzte Saison. Die Juniorinnen haben viel Potenzial, aber sie brauchen sicherlich etwas Anpassungszeit, bis sie die NLB rocken können. Es gibt auch einige Punkte, die für uns sprechen: Wir haben einen sehr guten Mix von Jung und Alt, viele Spielerinnen haben schon mehrere Jahre NLA oder NLB auf den Schultern. Viele sind auch schon länger dabei, wir kennen uns gut und wissen, wie der andere tickt. Das macht es einfacher, zu arbeiten. Und last but not least haben wir die ganze Saisonvorbereitung neu organisiert.

Was haben Sie konkret geändert?

Wir haben einen neuen Athletiktrainer, der das Sommertraining anders aufgebaut hat. So sind wir viel früher in die Halle gegangen und haben früher mit dem Stock trainiert. Vorher hatten wir uns länger nur auf die Athletik fokussiert.

Wie stark ist die Konkurrenz einzuschätzen?

Teams wie NLB-Meister Zäziwil und Uri, das bei den Ausländerpositionen top besetzt ist, haben ihre Ambitionen bereits angemeldet. Weil die NLB auch immer ein bisschen ein Auffangbecken für unglückliche NLA-Spielerinnen ist, kann man nur schwer voraussagen, wie stark die Teams sein werden. Uns sehe ich im vorderen Mittelfeld.

Zum Saisonauftakt empfängt Aergera am Sonntag (17 Uhr) den letztjährigen Tabellenvorletzten Frauenfeld. Was ist das Ziel für diesen Match?

Drei Punkte, alles andere kommt mir nicht in die Tüte.

Das Kader von Aergera Giffers

Saison 2024/25

Tor: Vanessa Aebischer (Jahrgang 2004), Solène Bessire (06/neu, U21).

Verteidigerinnen: Olivia Aeby (06, Förderkader FK), Sarah Aeschbacher (99/neu, Skorps Emmental), Carole Bertschy (96), Ema Chenaux (06, FK), Pascal Huber (98), Lea Jungo (01), Mona Jungo (02), Angela Kohler (97), Julia Kolly (04), Anja Schmid (00), Carola Schmid (05, FK), Selina Ulrich (02).

Stürmerinnen: Fabienne Aeschbacher (92), Michelle Arn (02), Lea Bertolotti (87), Liv Corpataux (07/neu U21), Fanny Ecoffey (98), Aline Haussener (01), Chayenne Hofmann (02), Margaux Houriet (94), Marine Klopfenstein (00), Jana Kolly (99), Fiona Kramer (06, FK), Livia Müller (06, FK), Francine Riedo (03), Edmea Stegmaier (01).

Abgänge: Sarah Berger-Peter (Rücktritt), Allyssa Buri (Skorps Emmental), Livia Gross (2. Mannschaft), Samira Inglin (Wizards Bern Burgdorf), Noemi Jöhr (Kloten-Dietlikon Jets U21), Laura Raetzo (Rücktritt), Nadja Schüpbach (BEO), Laura Wyss (Rücktritt).

Richard Kaeser bilanziert die letzte Sasison und schaut auf die kommende NLB-Meisterschaft: 

Freiburger Nachrichten - Redaktion / Michel Spicher
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